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- 19. September 2006 3 Min.
Einer New Yorker Studie zufolge behaupten drei Viertel der Männer, die Sex mit Männern haben, sie seien hetero.
Von Dennis Klein
Aus einschlägigen Sexfilmchen kennt man die Geschichte: Der arme verkannte Ehemann wird von der gemeinen Frau einfach nicht mehr befriedigt - und rennt zu einem Gleichgesinnten, der den Job gerne übernimmt. Zwar handelt es sich bei solchen Low-Budget-Produktionen um Produkte der Fantasie. Dennoch zeigt eine neue Studie der New Yorker Gesundheitsbehörde, dass die meisten Männer in der Stadt, die mit anderen Männern sexuelle Abenteuer erleben, sich selbst als heterosexuell bezeichnen - und zu allem Überfluss mit einer Frau verheiratet sind.
Forscher haben Ergebnisse einer Umfrage aus dem Jahre 2003 ausgewertet, in der rund 4.200 erwachsene Männer nach ihrem Sexualverhalten befragt worden waren. Das Ergebnis haben sie jetzt in den "Annals of Internal Medicine" veröffentlicht: Demnach bezeichnen sich 3,7 Prozent der Männer als homosexuell und 1,2 Prozent als bisexuell, während über 91 Prozent eine heterosexuelle Orientierung angeben (die anderen sagten, sie seien sich unsicher oder beantworteten die Frage nicht).
Fast jeder zehnte sexuell aktive "Hetero" schläft nur mit Männern
Überraschend war dabei, dass 9 Prozent der "heterosexuellen" Männer im letzten Jahr ausschließlich Sex mit Männer hatten. Das wären Hochrechnungen zufolge in New York City immerhin 175.000 Heteros "auf Abwegen". Zum Vergleich: Die Studie errechnete nur 66.000 sexuell aktive Schwule, die sich auch als "Gay" bezeichnen. Fast drei von vier Männern, die "schwulen Sex" betreiben, fühlen sich demnach als Heterosexuelle. Von allen Aktiven gaben 12,4 Prozent an, nur mit Männern Geschlechtsverkehr gehabt zu haben; weitere 1,2 Prozent hatten Sex mit Männern und Frauen.
Besonders überraschend für die Forscher: Mehr als zwei Drittel der homosexuell aktiven "Hetero-Männer" sind zudem mit einer Frau verheiratet. "Wir haben erwartet, dass viele von ihnen verheiratet sind, aber wir dachten nie, dass es 70 Prozent sind", erklärt Dr. Susan Blank von der New Yorker Gesundheitsbehörde. "Niemand kann also voreilige Schlüsse ziehen: Der Familienstand ist kein Indikator für sexuelles Verhalten."
"Pseudo-Heteros": Migrationshintergrund und schlecht ausgebildet
Die Autoren erklären die große Diskrepanz mit kulturellen Normen. Viele der Männer, bei denen sexuelles Verhalten und ihre Selbsteinschätzung der sexuellen Orientierung nicht übereinstimmen, seien im Ausland geboren. Dort werde Homosexualität meist kritischer gesehen. Zudem kämen sie meist aus unteren sozialen und Bildungsschichten, in denen Homosexualität weniger anerkannt sei.
Männer, die sich als heterosexuell bezeichnen, haben zudem weniger sexuelle Kontakte als bekennende Schwule. Dennoch sei das HIV-Risiko größer, da der Kondomgebrauch weniger verbreitet sei. Außerdem unterzögen sie sich weniger einem HIV-Test. Das sei "besorgniserregend", so die Forscher. Die Präventionsarbeit dürfte daher nicht nur auf die schwule Community ausgerichtet sein - denn dort erreicht man die "Heterosexuellen" nicht.
19. September 2006
Links zum Thema:
» Ergebnisse der Studie (auf Englisch)














