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  • 06. Dezember 2006 48 3 Min.

Die grüne Nachwuchs-Politikerin will den besonderen Schutz der Ehe abschaffen. Richtig so!

Von Micha Schulze

Die grüne Lebensweisen-Politik wurde bislang nahezu ausschließlich von Volker Beck bestimmt. Ihm haben wir das verkorkste Konstrukt der Eingetragenen Lebenspartnerschaft zu verdanken – aus der Zeit, als die Ökopartei zusammen mit der SPD regierte. Seitdem die Grünen auf der Oppositionsbank sitzen, macht sich Beck für die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben stark...

So sehr die "Homoehe" das gesellschaftliche Klima in Deutschland auch zum Positiven verändert hat, liegt in der Begrenzung der Lebensweisenpolitik auf die Eingetragene Partnerschaft auch eines der größten Versäumnisse von Rot-Grün. Was hätte man in den sieben Jahren nicht mehr erreichen können!

Mut macht da Vorstoß von Julia Seeliger. Die 27-jährige Studentin, erst am vergangenen Wochenende anstelle von Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt in den mächtigen Grünen-Parteirat gewählt, fordert nicht nur die "Abschaffung des Schutzes der Ehe im Grundgesetz", sondern auch die "absolute Gleichstellung aller Lebensgemeinschaftsformen": "Ob sie nun hetero- oder homosexuell sind oder ob sie zwei oder mehr Menschen umfassen, darf nicht von Bedeutung sein." In einem von Seeliger mitgetragenen Papier der "Grünen Jugend" heißt es: "Viel mehr als die bürgerliche Ehe wünschen sich viele Menschen Beziehungen auf Zeit, Beziehungen mit mehr als nur einer Person, Freundschaften mit Sex."

Gerade wir Schwulen wissen, was die grüne Nachwuchs-Politikerin meint. Im Schutz unserer Community hatten wir die Chance, alternative Lebensmodelle zu entwickeln und auszuprobieren.

Vielen frei gewählten Lebensweisen sind die Privilegien einer Ehe oder Eingetragenen Partnerschaft verwehrt

Seeligers Wahl in den Grünen-Parteirat kommt genau zur rechten Zeit. Denn ausgerechnet unter Schwarz-Rot ist einige Bewegung in die Lebensweisenpolitik geraten. So schwärmt Familienministerin Ursula von der Leyen, CDU-Mitglied und Mutter von sieben Kindern, in regelmäßigen Abständen von der Großfamilie, und selbst der Bundespräsident stellt fest: "Familie ist da, wo Kinder sind" - und schließt bewusst unverheiratete wie homosexuelle Paare mit ein.

Doch die Lebenswirklichkeit in Deutschland ist noch weitaus vielfältiger, als es von der Leyen, Köhler und Beck einzugestehen bereit sind. Auch ohne Kinder, ohne Trauschein, ohne eine sexuelle Beziehung und ohne ein lebenslanges Versprechen stehen Menschen füreinander ein und sind bereit, miteinander Verantwortung zu übernehmen – nicht nur in wilden und "echten" Ehen, Patchwork- und Regenbogenfamilien, sondern auch in Dreierbeziehungen, Wohn- oder Hausgemeinschaften und vielen anderen frei gewählten Lebensweisen, denen die Privilegien einer Ehe oder Eingetragenen Lebenspartnerschaft verwehrt sind.

"Familie ist überall dort, wo Menschen dauerhaft füreinander Verantwortung übernehmen, Sorge tragen und Zuwendung schenken", formuliert es das "Zukunftsforum Familie" (ZFF). Julia Seeliger hat diesem Ansatz als erste Politikerin seit langer Zeit wieder eine politische Stimme gegeben – anstatt sich auf die Zweier-Ehe zu fixieren. Wenn sich die "grüne Pippi Langstrumpf" ("Süddeutsche Zeitung") in ihrer Partei durchsetzt, würde die Ökopartei wieder zum Motor einer fortschrittlichen Lebensweisenpolitik! Dafür hat sie unseren "Homo-Orden" verdient.

6. Dezember 2006

-w-

#1 gerdAnonym
  • 06.12.2006, 12:58h
  • Sehr geehrte Queer-Redaktion,
    ich empfinde die Verleihung des Homo-Ordens für unberechtigt und falsch.

    Was haben die Inhalte von Frau Seeliger noch mit den Forderungen von homosexuellen Paaren zu schaffen ?

    Frau Seeliger geht bereits einen Schritt weiter-einen Schritt zu weit, der mit den Forderungen des LSVD und anderen homopolitischen Verbänden nichts mehr zu schaffen hat.

    Sie setzt nicht mehr auf die monogame Verbindung sondern auf Mehr-Beziehungs-Verhältnisse zur gleichen Zeit.

    Gegen monogame Beziehungen zeitlich hintereinander im Leben ist nichts einzuwenden, wenn die vorherige Beziehung gescheitert ist.

    Aber wir sind nicht im Islam, liebe Queer und dies sind auch nicht Forderungen des LSVD; wäre für mich auch ein Austrittsgrund im überparteilichen LSVD.

    Die monogame Beziehung, ob sie nun Ehe oder Lebenspartnerschaft heisst ("wobei die Gleichstellung zur Ehe natürlich zu bevorzugen ist, da es keiner zweier Rechtsinstitute bedarf"), halte ich für richtig.

    Im übrigen, was soll das solche Forderungen von der Queer mit dem Homo-Orden zu unterstützen, wo wir noch nicht einmal die berechtigte Forderung zur Gleichstellung von Lebenspartnerschaften zu Ehen in unserem Lande durchgesetzt haben (siehe Erbschaftssteuer, Ehegattensplitting, Beamtenrecht).

    Dieser Homo-Orden ist falsch und erhält keine Unterstützung von mir als Mitglied des LSVD.
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#2 OliverAnonym
  • 06.12.2006, 13:13h
  • Die Abneigung der queer-Redaktion gegen Volker Beck ist ja schon lange nicht zu übersehen und auch wenn ich kein Fan von ihm oder der Eingetragenen Lebenspartnerschaft bin und diese nicht das Gelbe vom Ei ist, so war die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare damals rechtlich sehr unsicher und ein Scheitern vor dem Bundesverfassungsgericht - wohin die CDU/CSU sicherlich gegangen wäre - wäre ein denkbar schlechtes Signal gewesen. Die ursprüngliche Planung erstmal klein anzufangen und dann draufzusatteln ist zwar nicht nur wegen der CDU/CSU-Abwehr, sondern auch wegen der Schlafmützigkeit von Rot-Grün nicht gelungen, aber nach dem Machtverlust im Bundesrat war dann auch nichts mehr zu machen. Hier kann man wirklich von vertaner Gelegenheit sprechen.

    Alles in allem hat die Eingetragene Lebenspartnerschaft homosexuelle Menschen und ihre Beziehungen in die Öffentlichkeit gebracht und die breite Bevölkerung über deren Existenz überhaupt erstmal halbwegs sachlich informiert und nicht nur die Klischees bedient, die auf Bild-Zeitungs- und RTL2-Niveau vorherrsch(t)en und übrigens auch hier auf queer.de (zu) oft bedient werden...

    Aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre auch im Ausland wäre heute allerdings tatsächlich die Öffnung der Ehe die erste Wahl und sollte als Ziel unbedingt verfolgt werden.

    Hinsichtlich der Mehr-Personen-Verbindungen kann ich mich meinem Vorredner /-schreiber nur anschließen.
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#3 madridEUAnonym
  • 06.12.2006, 13:21h
  • Die wahrhaft utopisch anmutende Forderung dieser Dame ist diskussionswert und könnte mit mehr Unterstützung rechnen, wenn nicht erst einmal die Ungleichheit in der doch sehr zahmen deutschen Homo-Ehe beseitigt wäre.
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