Pornografie-Anklage: Das einzige Homo-Magazin der Türkei soll mundtot gemacht werden.
Von Dennis Klein
"Eine Person, die obszönes Material veröffentlicht, wird mit Gefängnis zwischen sechs Monaten und drei Jahren bestraft", so sieht es Paragraf 226, Absatz 2 des türkischen Strafgesetzbuches vor. Umut Güner muss jetzt diesen Paragraf fürchten: Der Besitzer und Chefredakteur des einzigen schwul-lesbischen Magazins der Türkei ist wegen der Juli-Ausgabe von "Kaos GL" angeklagt worden. Damals hatte ein Gericht bereits die Beschlagnahmung des Magazins durchgesetzt (queer.de berichtete). Die Titelgeschichte über Pornografie verstoße gegen die "allgemeine Moral", so der Richter. Dabei war die Story recht spärlich bebildert und lediglich angesehene Experten haben Artikel in dem Magazin verfasst.
"Kaos GL" hatte zuvor gegen den Paragrafen 226 heftig kritisiert. Letztes Jahr haben die Aktivisten eine Kampagne für eine Gesetzesänderung gestartet. Begründung: Es wird nicht definiert, was eine "Obszönität" ist. Ein Richter kann völlig frei entscheiden, was er für unmoralisch hält und was nicht. Und scheinbar ist für die Justiz derzeit ein schwules Magazin nicht zu ertragen.
Schon mehrfach hatte sich "Kaos GL" gegen Übergriffe der Behörden wehren müssen. Das Magazin kommt seit 1994 regelmäßig heraus. Erst 1999 wurde es allerdings offiziell registriert. Damals sagte der Ankläger, dass die Publikation "weder pornografisch noch obszön" sei. Nur zwei Mal musste das Magazin scheinbar aus Jugendschutzgründen mit undurchsichtigem Umschlag vertrieben werden. Der nächste große Angriff kam 2005, als der Gouverneur von Ankara ein Verbot des Vereins, der das Magazin herausgibt, anstrebte. Das Verwaltungsgericht untersagte das jedoch kurze Zeit später (queer.de berichtete). Begründung: Homosexualität sei weder eine Krankheit noch verstoße sie gegen die Moral.
Jetzt muss Chefredakteur Güner trotzdem mit bis zu drei Jahren Haft rechnen. Der Ausgang ist derzeit noch völlig offen. Er hat bereits angekündigt, bei einer Niederlage den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg anzurufen.
14. Dezember 2006