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- 11. Dezember 2007 3 Min.
Ist Homosexualität genetisch oder sozial bedingt? Der Forschungsstand 2007: Die einen sagen so, die anderen so…
Von Dennis Klein
Seit Jahrzehnten fragen sich Wissenschaftler mal mehr, mal weniger seriös, woher Homosexualität kommt. Gibt es das schwule Gen, das angeboren ist? Sind irgend welche bösen "Hormone" am Werke? Oder sind vielleicht nur soziale Umstände schuld? Auch 2007 gibt es keine Sicherheit, wie neueste Forschungsarbeiten zeigen: US-Wissenschaftler glauben mit Hilfe der aus dem Biologieunterricht allseits beliebten Drosophila ein Gen entdeckt zu haben, mit dem man Homosexualität ein- und ausknipsen kann (zumindest bei Fruchtfliegen). Der populäre britische Zoologe Desmond Morris ("Der nackte Affe") vertritt dagegen in einem neuen Buch die These, dass Homosexualität rein sozial bedingt ist – Schwule sind seiner Ansicht nach in einer vorpubertären Phase "hängen geblieben".
Zunächst zu den Fruchtfliegen: Hier hat David Featherstone von der Universität Illinois in Chicago ein Gen entdeckt, das er "genderblind" nennt. Es hat Einfluss auf die Weiterleitung des Botenstoffes Glutamat – doch als der Forschungsassistent die "Genderblind"-Gene fröhlich mutieren ließ, stellte er fest: Die männlichen Fliegen werden bisexuell. Featherstone vermutet in seiner wissenschaftlichen Abhandlung, dass so bei den männlichen Tieren die Kontaktstellen zwischen Nervenzellen und anderen Zellen (Synapsen) gestärkt werden würden – und die Fliegen dann auf alles springen, was sechs Beine hat.
Bisexualität kann ein- und ausgeschaltet werden
"Die männlichen Genderblind-Mutanten verhielten sich den Männchen gegenüber genauso wie den Weibchen", erklärt Featherstone. Die Mutation sei aber mit Medikamenten zu kontrollieren. So mischte er den Bi-Fliegen ein synapsenschwächendes Mittel bei – und die CSD-Fliegen wurden binnen kürzester Zeit wieder hetero. Hetero-Fliegen ließen sich Featherstone zufolge dagegen mit Synapsen-Doping bisexualisieren. Die Ergebnisse der Forschungen werden im kommenden Monat im Magazin "Nature Neuroscience" veröffentlicht.
Schon in der Vergangenheit haben Forscher an Fliegen-Nerven herumgebastelt und sie so zu gleichgeschlechtlichem Sex verführen können. Doch bleibt offen, inwieweit sich das auf Säugetiere und damit den Menschen übertragen lässt. Ein Experte in diesem Bereich, der Verhaltensforscher und Zoologe Desmond Morris, kommt zu einem ganz anderen Ergebnis: Homosexualität sei beim Menschen einzig das Ergebnis von sozialen Umständen.
Der 79-jährige Forscher glaubt, dass sich die Homosexualität vor der Pubertät herausbildet. Er argumentiert, dass die Geschlechter im Alter von fünf Jahren auseinander driften: Jungs spielen mit Jungs, Mädels mit Mädels. Diese Phase dauere ungefähr zehn Jahre. Danach sorgen die Sex-Hormone dafür, dass sich Jungs eigentlich für Mädchen interessieren, so Morris. Schwule steckten dem Forscher zufolge aber "in der Distanzierungsphase fest – und dort bleiben sie für den Rest ihres Lebens".
Vorpubertäre Tracht Prügel von Mädels macht Jungs schwul?
Nach Ansicht von Morris ist ihre Beziehung zu Jungs vor der Pubertät so stark geworden. Dadurch werde der Bruch von dieser Phase verhindert. Grund seien die äußerlichen Umstände – so könnten negative Erfahrungen mit Mädchen ausschlaggebend sein. "Für diesen Jungen ist es unmöglich, die Veränderung durchzumachen, weil er es nicht ertragen kann, das zurückzulassen, was er vorher hatte", so Morris.
Daher würden Männer schwul gemacht – was allerdings auch kein Armbruch sei, findet der Verhaltensforscher. Denn Schwule blieben in einer Phase, die spielerischer und experimenteller sei. Daher seien sie auch eher künstlerisch veranlagt: "Schwule leisten gewöhnlich einen ungemein größeren Beitrag zum Leben als Nichtschwule", erklärt er. Als Beispiele nennt er Sokrates, Leonardo da Vinci, Tschaikowski, Cole Porter und Oscar Wilde – Fruchtfliegen und deren Synapsen-Trouble erwähnt Morris in diesem Zusammenhang nicht.
11. Dezember 2007
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