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- 06. Februar 2008 3 Min.
Diakonisches Werk muss Nicht-Christin Entschädigung zahlen. Signalwirkung auch für Schwule und Lesben?
Von Carsten Weidemann
Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) hat ein Urteil des Hamburger Arbeitsgerichts vom Montag mit großer Genugtuung aufgenommen. In der Entscheidung (Aktenzeichen 20 Ca 105/07) wurde das Diakonische Werk zu einer Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Höhe von drei Monatsverdiensten verurteilt, weil es eine Bewerberin im Einstellungsverfahren wegen ihrer Religion benachteiligt hat.
Der für Hamburg zuständige Landesverband des Diakonischen Werkes, der zur Nordelbischen Evangelisch-lutherischen Kirche gehört, hatte eine aus Mitteln des Bundes und der EU fremdfinanzierte Sozialpädogen-Stelle in einem Teilprojekt "Integrationlotse Hamburg" ausgeschrieben. Die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche werde vorausgesetzt, hieß es in der Annonce.
Auf diese Stellenanzeige bewarb sich eine deutsche Frau türkischer Herkunft, die keiner christlichen Kirche angehört. Auf Nachfrage des Diakonischen Werkes teilte die Bewerberin mit, sie sei gebürtige Muslimin, praktiziere aber keine Religion. Auf die Frage, ob sie sich den Eintritt in die Kirche vorstellen könne, entgegnete sie, sie halte dies nicht für nötig, da die Stelle keinen religiösen Bezug aufweise. Das Diakonische Werk lehnte die Bewerberin daraufhin ab, worauf diese Klage nach dem AGG einreichte.
Vor Gericht argumentierte das Diakonische Werk, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion gemäß § 9 Abs. 1 AGG zulässig sei, weil die christliche Religion sowohl im Hinblick auf sein Selbstbestimmungsrecht als auch nach Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstelle.
Dieser Argumentation folgte die 20. Kammer des Arbeitsgerichts Hamburg jedoch nicht. Das verfassungsrechtlich garantierte kirchliche Selbstbestimmungsrecht berechtige den kirchlichen Arbeitgeber nicht, die Einstellung für "Tätigkeiten im verkündungsfernen Bereich" von der Kirchenzugehörigkeit abhängig zu machen. Sowohl die umfassende Fremdfinanzierung des Projektes "Integrationslotse" als auch die Empfehlung im Zuwendungsbescheid, keine den Bewerberkreis einschränkenden Vorgaben zu machen und die Auswahl der Mitarbeiter neutral durchzuführen, spreche gegen die christliche Prägung der in Frage stehenden Stelle, heißt es in der Urteilsbegründung.
"Wir begrüßen dieses Urteil sehr", kommentierte LSVD-Sprecher Manfred Bruns. "Die katholischen Bischöfe bestehen darauf, dass Lesben und Schwule, die in katholischen Einrichtungen tätig sind, entlassen werden, wenn sie eine Lebenspartnerschaft eingehen. Sehr viele katholische Arbeitgeber halten sich zwar nicht an diese bischöfliche Weisung. Aber die Betroffenen leben in der ständigen Furcht, dass jemand sie beim bischöflichen Generalvikariat anschwärzt und auf das Bekanntwerden automatisch dann die Entlassung folgt. Für die Kirche zählt hier nicht die Qualifikation des Arbeitnehmers, sondern sie diskriminiert seine sexuelle Orientierung."
Bruns hofft auf eine Signalwirkung des Urteils: "Wir meinen, wenn Kirchen ihre Einrichtungen nicht selbst, sondern mit staatlichen Mitteln finanzieren und wenn sich diese auch hinsichtlich der dort beschäftigten Arbeitnehmer nicht mehr von konkurrierenden Einrichtungen nichtkirchlicher Träger unterscheiden, darf es den Kirchen nicht gestattet werden, Lesben und Schwule weiterhin zu verfolgen und zu diskriminieren."
Gegen das Urteil des Hamburger Arbeitsgerichts kann das Diakonische Werk noch Berufung einlegen.
6. Februar 2008
Links zum Thema:
» LSVD-Ratgeber zum AGG














