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- 06. März 2008 4 Min.
Mehrere Porno-Darsteller haben sich in England mit HIV infiziert. Die BBC stellt Porno-Produzenten an den Pranger.
Von Dennis Klein
Acht junge Engländer ziehen in ein Ferienhaus in Frankreich und poppen den ganzen lieben langen Tag. Kurze Zeit später machen vier von ihnen einen HIV-Test: Alle vier sind positiv - und haben sich wahrscheinlich auf diesem Trip angesteckt.
Der Trip war kein Wochenendausflug gelangweilter Studenten, sondern ein Porno-Dreh aus dem Bareback-Segment. Die DVD dieser Session ist noch zu haben - allerdings soll der Vertrieb nun gestoppt werden, weil das BBC-Nachrichtenjournal "Newsnight" eine Reportage über das Bareback-Phänomen gedreht hat. Nach der Ausstrahlung der 13-minütigen Dokumentation diese Woche ist nun eine Diskussion im Gange, wie und ob gegen unsafen Sex in Pornografie vorgegangen werden kann.
Bareback hat 60 Prozent Marktanteil
In den letzten Jahren ist der Markt für schwule Pornos ohne Kondome explodiert. Gerade England ist gut im Geschäft - dabei wurde dort erst 2001 der Verkauf von pornografischen Filmen erlaubt. Während nach der Entdeckung von Aids in den 80er Jahren in Nordamerika und Europa alle einschlägigen schwulen Produktionen mit Kondomen produziert wurden, ändert sich die Einstellung nun rapide. "Bareback" ist derzeit das beliebteste Wort im Titel eines Schwulenpornos - "kondomfreie" Filme haben in Europa bereits einen Marktanteil von 60 Prozent erobert. Bei Hetero-Pornos, bei denen es auch immer wieder zu Infektionen kommt, liegt der Anteil indes bei fast 100 Prozent.
Die Macher von Bareback-Pornos verweisen darauf, dass sie ihre Darsteller nicht ohne Aids-Tests und eindringliche Beratung an einem Dreh teilnehmen lassen. Scheinbar ging die Firma Icreme, die auch das Video in Frankreich produziert hatte, nicht so genau damit um - obwohl sie nach eigenen Angaben der größte Anbieter für schwule Bareback-Pornos auf der Insel ist. So erklärten Darsteller gegenüber der BBC, dass die Produzenten oft nur fragten, ob ein Aidstest vorliegt - ihn aber nicht sehen wollten. HIV war den Berichten zufolge am Set nur selten ein Thema.
'Ich hab's fürs Geld gemacht'
Für Clyde wurde es zum Thema. Der sehr jung wirkende 20-Jährige erklärte gegenüber dem Szeneportal "Pink News", wie er zum Porno-Darsteller wurde und sich beim schicksalhaften Dreh in Frankreich infizierte: Kurz nach seinem 18. Geburtstag ist er im britischen Kontakt-Portal "Gaydar" von den Produzenten angesprochen worden. Nachdem er beim Casting vor laufender Kamera erfolgreich onaniert hatte, wollte Icreme ihn als Bareback-Darsteller unter Vertrag nehmen. Er musste beim Dreh zunächst einen Aidstest mitbringen - später war ein zeitnaher Test nicht immer Voraussetzung. Schließlich kostet der Test 25 Pfund (33 Euro) - und pro Szene hat Clyde nur 100 Pfund (130 Euro) erhalten. "Ich hab's fürs Geld gemacht. Ich habe nicht viel", erklärte er. Außerdem sei es schön gewesen, dass ihm - der in der Schule stets der Außenseiter gewesen ist - von Regisseuren und Produzenten erzählt wurde, wie schön er sei. Da der schmächtige Junge ein schlechter Schüler war und seiner Meinung nach keine Aussichten auf einen guten Job hatte, war die Pornografie für ihn ein Ausweg aus seiner finanziellen Misere. Als Clyde dann aber für ihn völlig überraschend positiv gestestet wurde, brach seine Welt zusammen: "Ich bereue, Bareback-Videos gedreht zu haben. Ich war kein Heiliger in meinem Privatleben, aber ich war vorsichtiger, bevor ich mit Pornos angefangen habe."
Die Firma Icreme hat nach dem BBC-Bericht erklärt, sie werde fortan nur noch Filme mit Kondomen drehen. Sie ist derzeit ohnehin in der Kritik, weil letzte Woche ein ehemaliger Angestellter von einem englischen Gericht zu 35 Monaten Haft verurteilt worden ist. Der 48-jährige Rufus Ffoulkes hatte einen Bareback-Film mit einem 16-Jährigen gedreht - und später beteuert, dass er ihn für 18 gehalten habe.
Trotz des angekündigten Rückzugs von Icreme weiterhin populär bleiben. Mehrere deutsche Labels wie Man's Art, die früher stets mit Kondomen filmten, sind bereits auf den Zug aufgesprungen. Das Kölner Label XXX-Project filmt sogar nur kondomfrei. Allerdings wird hier darauf verwiesen, dass Testergebnisse Voraussetzung für einen Dreh sind. Andere Labels wie Cazzo behelfen sich damit, dass sie feste Partner filmen, die nur miteinander ungeschützten Sex haben. Zudem lassen einige Produzenten HIV-Positive miteinander verkehren. Davor warnen aber Ärzte, da sich eine gefährlichere Variante von HIV einfangen können - und damit unter Umständen resistent gegen Medikamente werden können.
Die BBC interviewte einen HIV-Positiven, der für Icreme weiter Bareback filmen wollte. Als die Journalistin den etwas einfältig wirkenden Darsteller John Gadsby geschockt fragte, warum er so sein Leben aufs Spiel setze, antwortete er: "Ich gehe das Risiko ein, denn ich mag, was ich tue."
6. März 2008














