https://queer.de/?8805
- 26. Mai 2008 4 Min.
DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger bezog beim 2. Aktionsabend gegen Homophobie im deutschen Fußball eindeutig Stellung gegen Diskriminierung jeder Art.
Von Anne Richter
Manchmal hat der Griff ins Klo auch eine positive Seite: Nicht nur, aber auch Dank der fragwürdigen Ansichten von FC Köln-Trainer Christoph Daum, der Homosexuelle als eine Gefährdung für Kinder und Jugendliche eingeschätzt hatte, konnte sich der 2. Aktionsabend gegen Homophobie im deutschen Fußball einer großen Aufmerksamkeit erfreuen. Nachdem es bei der ersten Veranstaltung im Oktober 2007 in Berlin noch relativ wenig Resonanz gegeben hatte, waren am vergangenen Freitag im Kölner RheinEnergie-Stadion rund 100 Vertreter aus Vereinen, Fanclubs, Politik und Medien vertreten. Gerade letztere waren durch die Statements Daums und die Reaktionen aus der Community für das Thema Homophobie sensibilisiert worden.
Von besonderem Interesse war für alle, wie der "offizielle Fußball", hier in Person des Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) Dr. Theo Zwanziger, die Problematik beurteilt. Zwanziger stellte sich im Rahmen einer Podiumsdiskussion den Fragen des Publikums und der Moderatoren. Dabei bezog er eindeutig Stellung gegen Diskriminierung jeder Art im Fußball: "Fußball diskriminiert nicht, der Ball ist für alle da. In der Satzung des DFB steht schon seit 2000, dass wir uns entschieden gegen Diskriminierung wenden." Gleichzeitig versprach er eine Qualifizierungsoffensive und bat die Anwesenden um Hilfe bei der Umsetzung der kommenden Aufgaben. Zu Daum erklärte Zwanziger, dass sie telefoniert hätten und dass er nach diesem Gespräch dem Trainer keine Diskriminierungsabsicht unterstelle: "Ich kann für Christoph Daum erklären, dass wir in der Betrachtung dieser Dinge keine Meinungsverschiedenheiten haben. Er steht klar zu der Grundposition, die der DFB in seiner Satzung verankert hat." Daum habe sich in dem Gespräch dazu bekannt, dass er verschiedene Dinge vielleicht etwas problematisch verbunden habe.
„Ich will ‚Schwule Sau’ nicht mehr hören!“
Den Aktionsabend hatten die frühere Bundesligaspielerin Tanja Walther, die sich für die European Gay & Lesbian Sport Federation (EGLSF) engagiert, und Come-Together-Cup-Initiator Andreas Stiene organisiert. Neben Zwanziger konnten sie auch Bundestagsmitglied Volker Beck und die stellvertretende Kölner Oberbürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes im Presseraum des Stadions begrüßen. Die Politikerin forderte in ihrem Grußwort in Anlehnung an das diesjährige Motto des Kölner CSD null Toleranz für Intoleranz: "Für Diskriminierung darf es keinen Platz geben!" und "Ich will ‚Schwule Sau’ nicht mehr hören!". Am Ende ihrer Rede lud sie Zwanziger zu den Gay Games 2010 nach Köln ein und überreichte ihm ihren 2010-Sticker als Symbol für die Einladung.
Beck stellte in kurzen Worten die "Erklärung gegen Diskriminierung im Fußball" vor, die schon vor einiger Zeit ausgearbeitet und am Ende der Veranstaltung von weiteren Vereinen unterzeichnet wurde. Die Unterzeichner verpflichten sich darin unter anderem, in ihre Stadion- oder Vereinssatzungen Paragraphen gegen Diskriminierung aufzunehmen und Öffentlichkeitsarbeit zu der Thematik zu betreiben. Bisher haben neben vielen anderen der DFB, die Deutsche Fußball Liga, Borussia Mönchengladbach und Werder Bremen unterschrieben.
Die wissenschaftlichen Aspekte von Homophobie im Fußball beleuchtete Dr. Tatjana Eggeling in einem Vortrag. Die Ethnologin führte aus, dass im Fußball oft heteronormatives Denken vorherrsche. Als interessante These stellte sie in den Raum, dass es vielleicht im Profifußball weniger Schwule gebe, als im Bevölkerungsdurchschnitt, weil viele talentierte schwule Fußballer vor dem Beginn einer wirklichen Karriere wegen des enormen Drucks aufhören würden.
Das Podium besetzten neben Zwanziger und Eggeling der Ex-Profispieler Yves Eigenrauch, Dagmar Ziege (Gay Games 2010 und Ex-Spielerin), Christian Deker (Queer Football Fanclubs) und Rainer Mendel (Fanbeauftragter des 1. FC Köln). Allen gemeinsam ist, dass sie relativ zuversichtlich in die Zukunft von Schwulen und Lesben im Fußball blicken. Eigenrauch betonte, dass die Gesellschaft sich in einem Prozess des Wandels befinde. Man dürfe nicht zuviel auf einmal erwarten, aber es gehe voran. Deker berichtete von seiner Erfahrung, dass durch persönlichen Kontakt zu den Fans und offenem Umgang mit der Homosexualität viel bewegt werden könne.
Auch Zwanziger stellte in seinen Statements heraus, dass sich schon viel getan habe. Er habe auf Feiern der Frauennationalmannschaft schon erlebt, dass ihm Spielerinnen ganz ungezwungen ihre Lebensgefährtin vorgestellt hätten. Das mochte Ex-Spielerin Ziege nicht glauben und verwies darauf, dass zumindest auf den Homepages der Spielerinnen diese Offenheit noch nicht gegeben sei. Zwanziger stellte heraus, dass der DFB alle Spielerinnen und Spieler bei einem Outing unterstützen würde, dass er aber niemanden dazu zwingen wolle, mit seinem Privatleben an die Öffentlichkeit zu gehen. In seiner Familie sei es auch so, dass seine Frau nicht in der Öffentlichkeit stehen wolle, und das Privatleben eines jeden müsse akzeptiert werden. Wie ernst der DFB mittlerweile die Problematik der Diskriminierung nimmt, zeigt eine andere Äußerung ihres Präsidenten. Er zog die Möglichkeit in Betracht, homophobes Verhalten auch mit einem Eingreifen in den sportlichen Bereich, etwa Punktabzug, zu ahnden.
Links zum Thema:
» Downloadseite des DFB mit Satzung















Wie kommt es bloß, dass ich grad einen aufkommenden Brechreiz unterdrücken muss?