Queer.de intim: Empfindliche Pornostars und eingeschleuste battyman tunes
Wer einen dicken Schwanz hat, muss noch lange keine dicke Haut besitzen: Weil er sich so sehr über die User-Kommentare zu seinem ersten Text geärgert hat, will Pornostar Johan Volny seine Kolumne auf queer.de nicht fortsetzen. Da kann man mal sehen, was das Web 2.0 so alles anrichten kann.
Jene User, die sich statt auf Volnys Sexplaudereien nun schon auf vergeistigte Analysen der Diskriminierung osteuropäischer Homosexueller in der Arbeitswelt freuen, müssen wir bitter enttäuschen. Den Ersatz-Pornostar soll jetzt ausgerechnet der geschäftsführende Redakteur selbst spielen. Meinte der Kollege Chefredakteur, weil ich den empfindlichen Bett-Akrobaten aus Prag ja im April selbst angerufen hatte. Meinte die Rest-Redaktion, da ich seit vier Jahren – seitdem queer.de online ist - polemische User-Kommentare gewohnt sei. Und meinte auch unser Finanzboss, denn so sparen wir wieder Honorar.
Wort- statt Bett-Akrobatik
Statt Bettgeschichten gibt’s an dieser Stelle nun also alle vier Wochen Intimes aus der Redaktion. Weniger die Affären mit den Praktikanten, sondern vielmehr die kleinen Freuden und Leiden, die das (schwule) Medienbusiness so mit sich bringt. Als da zum Beispiel wären: Abmahnungsversuche ehemaliger TV-Moderatorinnen, über die wir nicht schreiben dürfen, aufblasbare weibliche Sexpuppen mit drei Öffnungen als Rezensionsexemplar, über die wir nicht schreiben wollen, oder die unerklärliche Tatsache, dass ein Viertel der User immer noch mit uralten Browsern durchs Netz surft.
Auf Trab gehalten hat uns letzte Woche jedoch vor allem ein teils erfolgreicher Hackerangriff. Erst registrierten wir, dass jemand so genannte SQL-Injektionen in unserer Datenbank vornehmen will – doch unser Sicherheitssystem hielt diesen Pieksern von außen stand. Am nächsten Tag bekam jedoch, wer einige Artikel auf queer.de aufrief, plötzlich Reggaemusik zu hören. In denen tauchte immer wieder das Wort "battyman" auf – gründliche Leser wissen, dass jamaikanische Hasssänger damit Schwule meinen und das Wort "Schwuchtel" dagegen noch freundlich ist.
Hasssongs ausgerechnet auf queer.de
Unsere ausführliche, nicht ganz unparteiische Berichterstattung zu Sizzla, Bounty Killer & Co hat uns also nicht nur jede Menge neuen Traffic und viele hasserfüllte User-Kommentare von Hardcore-Reggaefans (die wenigsten sind online!) beschert, sondern auch einen gemeinen Angriff auf unseren Server. Über zehn Stunden brauchte unserer Programmierer, bis er herausfand, wie der Reggae-Song auf queer.de kam und wie man ihn wieder entfernt: Der Hacker hatte uns in einer als Supportanfrage getarnten Email einen gefälschten Link geschickt. Nachdem wir ahnungslos drauf klickten, konnte er unsere Cookies auslesen.
So sehr der Programmierer in dieser Nacht auch schwitzte, irgendwie hatte dieser Hack etwas Geniales. Er war subversiv, ohne etwas zu zerstören. Er legte queer.de nicht komplett lahm, sondern schmuggelte nur eine Botschaft ein. Das ist in etwa so, als würde beim Sizzla-Konzert plötzlich "Köln ist der geilste Arsch der Welt" aus den Boxen tönen. Vielleicht ist diese Form der Auseinandersetzung zwischen der Freiheit der Kunst und diskriminerender Hetze sogar der bessere Weg als der Ruf nach staatlichen Verboten und Zensur. (Ich weiß, jetzt bekomme auch ich böse Kommentare…).
Besonders gut kannte sich der unbekannte Hacker, der laut IP-Recherche aus Nürnberg stammt, übrigens nicht mit den schwulen Lesegewohnheiten aus… So hörte man die battyman tunes ausgerechnet beim Aufrufen der nicht ganz so spannenden Reise-News "Kurlaub im Waldschlösschen".
Ich hätte den Song ja eher bei der Johan-Volny-Kolumne eingeschleust. Die hatte nämlich – trotz der Handvoll lästernder User-Meinungen – über hundertmal mehr Seitenaufrufe…