In Berlin hat Polizeipräsident Dieter Glietsch 29 Beamte, die sich abfällig über das Hissen der Regenbogenfahne zum CSD geäußert hatten, zum persönlichen Gespräch geladen – dafür wird er jetzt von der Gewerkschaft kritisiert.
Von Carsten Weidemann
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hat den Berliner Polizeipräsidenten Dieter Glietsch aufgrund seines konsequenten Vorgehens gegen homophobe und intolerante Beamte scharf kritisiert. Wegen der Besuche des irakischen Premierministers Nuri al Maliki und des US-Präsidentschaftskandidaten Barack Obama hätten die Beamten andere Sorgen als Schwulenfeindlichkeit, sagte DPolG-Landeschef Bodo Pfalzgraf: "Die Kollegen können nicht verstehen, dass sie nicht mehr aus den Stiefeln kommen und zeitgleich Gespräche über den Regenbogen geführt werden."
Was war geschehen? Am 25. Juni hatte Glietsch erstmals eine Regenbogenflagge vor dem Präsidium hissen lassen, um zum Christopher Street Day die Bereitschaft der Polizei zu signalisieren, Schwulen und Lesben ohne Vorbehalte zu begegnen. Per Email wurden die Mitarbeiter der Berliner Polizei von einem Sachbearbeiter darüber informiert und zu dem feierlichen Akt eingeladen. Viele Beamte klickten im Mail-Fach auf "Antworten" und schrieben ihrer Ansicht nach nur den Absender an – ohne zu wissen, dass die Replik an den kompletten Verteiler – und damit auch an Vorgesetzte und Polizeiführung – versandt wurde.
29 Polizisten, die das Hissen der Regenbogenfahne mehr oder weniger abschätzig kommentierten, lud Polizeipräsident Glietsch daraufhin zum persönlichen Gepräch ein. Neben sachlicher Kritik, wonach die Anwesenheit beim Hissen im Hinblick auf die dünne Personaldichte während der Fußball-EM und den Fanmeilen unsinnig sei, gab es auch Polemik und Beleidigungen. Ein Beamter schrieb, dass "die Träger der rosa Zipfelmützen in der ersten Reihe stehen" sollten, ein anderer, dass "das Tragen der Dienstwaffe nicht erforderlich" sei. Die Polizei dementierte jedoch inzwischen Presseberichte, nach denen auch Disziplinarverfahren eingeleitet worden seien.
In den persönlichen Gesprächen will Dieter Glietsch erklären, warum er die Regenbogenfahne hissen ließ. In einer erneuten Mail an alle Polizisten hegt er die Vermutung, "dass einige Kollegen dringend auf Informationen darüber angewiesen sind, wofür die Regenbogenfahne steht". Sie wüssten vermutlich auch nicht, welche Rolle die New Yorker Polizei bei der Entstehung des Christopher-Street-Days gespielt habe und wie lange "die Polizei auch bei uns daran mitgewirkt hat, Schwule und Lesben strafrechtlich zu verfolgen und gesellschaftlich zu diskriminieren".
"Der Polizeipräsident handelt völlig richtig, wenn er 29 Beamte, die im Dienst diskriminierende Emails über Homosexuelle geschrieben hatten, zum Gespräch bittet", bekommt Glietsch Unterstützung vom FDP-Politiker Michael Kauch: " Als Bundestagsabgeordneter erwarte ich das geradezu von der Polizei, die Freiheit und Sicherheit in der Hauptstadt gewährleisten soll. Wenn der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft meint, das sei derzeit nicht vorrangige Aufgabe, dann verkennt er, dass man gerade von der Polizei eine Vorbildfunktion erwarten muss. Homosexuelle Bürger müssen sich darauf verlassen können, dass sie ohne Diskriminierung durch Polizisten gleich behandelt werden."
Gewerkschafts-Chef Bodo Pfalzgraf sagte unterdessen, er begrüße zwar grundsätzlich Gespräche des Präsidenten mit seinen Mitarbeitern, Glietsch solle jedoch "die Kirche im Dorf lassen". Schließlich habe der Polizeipräsident selbst die Ursache für die Emails gesetzt.
"Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft verdreht die Tatsachen, wenn er anführt, der Polizeipräsident habe mit dem Hissen der Regenbogenflagge zum CSD die Ursache für die antischwulen Emails gesetzt", entgegnete der FDP-Abgeordnete Michael Kauch. Die Ursache sei "vielmehr die latente Schwulenfeindlichkeit, die durch solche Äußerungen eines führenden Interessenvertreters von Polizisten erneut zum Ausdruck kommt".