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  • 04. August 2008 9 1 Min.

Anne Weiss und Stefan Bonner werfen in "Generation Doof" einen Blick auf den Abwärtstrend unserer Gesellschaft. Auch für Schwule ein hochinteressantes Buch.

Von Roberto La Pietra
Dass es mit Deutschland bergab geht, fühlten wir ja eigentlich schon seit der letzten Staffel vom Dschungelcamp und den ersten Hilfeschreien überforderter Eltern nach den Diensten der Super-Nanny. Jetzt haben sich zwei Autoren des Problems angenommen und festgestellt: es ist nicht nur ein Gefühl, das uns beschleicht, sondern bittere Wahrheit. Kinder können vielerorts nur noch mit Medikamenten in Schach gehalten werden, Prollsprache hat in vielen Teilen der Republik Hochdeutsch ersetzt und die Geilheit nach Marken ist wohl auf einem Allzeithoch angekommen.

Die Anspielung des Titels auf Generation Golf von Frank Illies ist sicher kein Zufall. Doch konnten die Leser des Erfolgsbuches über die Marotten der Achtziger Jahre wie Neon-Farben oder He-Man-Figuren noch herzlich lachen, beschleicht einen bei diesem Buch das Gefühl, dass eigentlich ernsthafter Handlungsbedarf besteht, sofern wir nicht irgendwann eine Meute zombi-ähnlicher Monster sein wollen.

Die Autoren berichten von Kindern, die ihre Eltern mit Schimpfworten bewerfen und nicht einmal eine Rüge dafür bekommen, hoffnungslos verwöhnt werden oder stundenlang vor der Glotze geparkt werden, weil die Fähigkeit verloren gegangen ist, sich mit dem eigenen Nachwuchs ernsthaft auseinander zu setzen.

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Sie berichten von Studienabgängern, die während der Uni nicht ein einziges Praktikum absolviert haben, sich aber über die Absage von McKinsey auf ihre Bewerbung als Unternehmensberater wundern.

Sie berichten von Ruhrpott-Friseusen, deren Leben sich um Arschgeweihe und Provinzdiskos drehen und von Fernseh-Formaten, die an die Grenzen der menschlichen Würde stoßen. Dabei kriegen DSDS-Kandidatinnen, die "Ich hab die Haare schön" trällern ebenso ihr Fett weg wie die ganze Schar an Doku-Soaps, die all denjenigen das Leben erleichtern sollen, die es alleine offensichtlich nicht mehr auf die Reihe kriegen. Da kommt der Schuldenberater, wenn die Vodafone-Rechnung die 30.000-Marke überschreitet, die Einrichtungs-Trulla, wenn Eiche-Rustikal ausgedient hat und die Super-Nanny, wenn der Sprössling sich schon mit acht Jahren nicht mehr vom Kiffen abhalten lässt. Und wer nach der dritten Bewerbung keinen Job findet, probiert es einfach bei der nächsten Casting-Retorte und muss nie wieder um sechs Uhr früh aufstehen!

Markenwahn hat Hochkonjunktur

Das Fazit der Autoren: viele von uns haben die Fähigkeit verloren, auf etwas hinzuarbeiten. Jobs müssen ebenso wie Konsumgüter sofort her. Geduld ist Fehlanzeige. Der Markenwahn hat Hochkonjunktur. Bei den Ausführungen über schnelle Statussymbole können sich auch Schwule durchaus an die eigene Nase fassen. Wer bringt mir das iPhone in den nächsten drei Wochen aus den USA mit? Kann man den Abercrombie-and-Fitch-Schriftzug auf meinem Sweater auch gut genug lesen und traue ich mich ohne Aussiebum-Badehose überhaupt noch an den Strand? Auch moderne Beziehungsmodelle kriegen ihr Fett weg. Gibt’s Probleme mit dem momentanen Partner, schmeißt man ihn weg wie ein altes Spielzeug und geht zum nächsten Gefühlschaos über. Ist auch hier wieder die erste Verliebtheit verflogen, sucht man sich im Chat einen neuen Gefährten.

Abgesehen von dem einen oder anderen Moment, in dem man sich in diesem Buch selbst wieder erkennt, ist es ein Hochgenuss, die Ausführungen über den kollektiven Knacks der heutigen Gesellschaft zu verschlingen. Einziger Wermutstropfen zweier eigentlich sehr talentierter Autoren: die beiden erheben manchmal zu sehr den mahnenden Spießer-Zeigefinger. Die Rolle des Strebers und Buhmanns versuchen sie zwar laufend zu cachieren, indem sie sich selbst miteinschließen in die Generation Doof, doch die ständigen Aufrufe zum Schmökern von Shakespeare und Goethe verleihen den zwei doch hier und da das Bild des Oberlehrers. Schließlich gibt es auch noch etwas zwischen Goethes Faust und der letzten Big Brother-Staffel. Darüber hinaus lassen die Recherche-Methoden der Autoren hin und wieder den Eindruck entstehen, der Bestseller sei unter extremem Erfolgs-und Zeitdruck entstanden. Wo kein ordentlicher Beleg für Aussagen vorhanden ist, wird mal schnell ein billiges Zitat eingefügt: "Wir haben auf einer Party neulich mit Peggy gesprochen. Sie erzählte uns...". Na ja: kann der Leser ja schlecht nachprüfen.

Nichtsdestotrotz ist "Generation Doof" ein lustiges, aber gleichzeitig ernstes Buch, das den einen oder anderen zum Nachdenken animieren dürfte, ob wir uns in einer gesellschaftlichen Schieflage befinden. Wer Sehnsucht nach den guten, alten Zeiten hat, der kann ja mal wieder die Generation Golf aus dem Bücherschrank hervor kramen und darüber schwärmen, wie sehr früher alles noch in Ordnung war.

Anne Weiss, Stefan Bonner: Generation Doof: Wie blöd sind wir eigentlich? Bastei Lübbe Verlag, 300 Seiten, 8.95 €

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#1 die doofe dorisAnonym
  • 04.08.2008, 16:00h
  • mir kommen langsma an dann richtig !!!
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#2 Tim_Chris
  • 04.08.2008, 20:54hBremen
  • Och na ja, so viel hat sich seit damals auch nicht geändert, nur das man heute bewusster und deutlicher damit umgeht. Zu meiner Zeit hießen die "Soaps" noch Daktari und Bonanza und hätten wir mehr als 3 Programme im TV empfangen können, wären wir damals wohl schon von Serien Marke: "Lindenstraße" überschwemmt worden.

    Marken wie "Abercrombie and Fitch" oder "Aussiebum" gab es damals auch noch nicht, dafür war man ohne die neueste "Wrangler" Jeans oder Adidas Sportdress genauso out. Was damals der Minipli oder der Afro, sind heute Edelglatze, Stylefrisur und Goatee.

    Davon abgesehen freuen sich die Schwuppen der Szene, die nicht gerade auf Technosounds oder HippHopp stehen noch über die gleiche Diskomucke, zu der wir damals schon getanzt haben. Der Unterschied, damals war unsere Diskomucke, ebenso wie die heute noch angesagten Schlager absolut modern, während sie heute bereits zu Oldies und Evergreens zählen.

    Und doof waren wir damals auch. Wer hatte damals denn nicht seine angesagte Sprache? Statt "geil", war es "super" und statt "cool" war es eben "klasse".
    Wir haben damals bereits den Aufstand geprobt und gegen alles protestiert, vorzugsweise für die sexuelle Freiheit und waren damals bereits die Revoluzzer unserer Zeit.
    Dennoch anders als heute, denn es war gemütlicher, es war ungefährlicher, es war einfach eine andere Zeit und es war irgendwie auch schön, wenn auch nicht wirklich viel leichter als heute. Dafür eben einfach anders.
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#3 EselAnonym
  • 05.08.2008, 00:52h
  • Antwort auf #2 von Tim_Chris
  • jao, das ganze klingt in meinen Ohren auch ein bisschen konservativ. Immerhin wirds ja auch im Artikel angedeutet von wegen Spießbürgertum. Jede Generation hatte eben seine Jugend, und jeder Generation Eltern hat über diese Jugend geschimpft.

    Wo ich dem Artikel recht geben muss sind glaube ich der Aspekt Kinder. Ich bin zwar noch nicht sooo lang der ganzen Geschichte entwachsen, jedoch meine ich, dass ich und Klassenkamerden/innen noch nicht so aggressiv waren in der Sprache (ich weiß nicht ob es an der im Kommentar 2 genannten Sprachverschiebung liegt). Was wir in meinem Fall auf keinen Fall waren war so modebewusst im Alter von 9-10 etc...wir haben uns noch schmutzig gemacht und eine Kindheit gehabt die ich jetzt nicht so beobachte. Aber dazu gibt es ja auch einige Studien.

    Was der Artikel nicht erwähnt, ich aber wichtig finde was zu erwähnen ist, ist der absolut gesteigerte Leistungsdruck. Bzw. Versagensängste und Perspektivenlosigkeit sind wahrscheinlich aufgrunddessen stark angestiegen. Hat man vor 50 Jahren mit Hauptschule eigentlich noch Zugang zu 75% aller Arbeitstätigkeiten gehabt, gilt man heute mit Hauptschulabschluss der nur durchschnittlich ist schon eigentlich als hoffnungsloser Fall. Hier sehe ich das Problem: Das sind Kinder! Denen kann man nicht sagen "lern man für die Zukunft", so leben die nicht. Und hier finde ich, hat eine unfaire Verschiebung statt gefunden, das Leben wurde härter, kälter.

    Konsum, Sprache, Musik...das allerdings sind wie in Kommentar 2 erwähnt ziemlich modische Aspekte. In 20 Jahren gucken wir auf jetzt zurück und denken, wie schön diese Zeit doch war...?! Das Buch ist wohl ein bisschen übertrieben und ändert sowieso nix
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