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- 03. November 2008 4 Min.
Der erste Sender für Schwule startete ohne großen Knalleffekt, dafür aber mit einer kunterbunten Mischung. Wie fühlt sich das schwule Fernsehen an? Queer.de hat die ersten zwei Tage und Nächte intensiv mit TIMM verbracht.
Von Christian Scheuß
Als am 25. August 1967 das Farbfernsehen in Deutschland eingeführt wurde, durfte der damalige Vizekanzler Willy Brandt während der Funkausstellung in Berlin auf einen dicken roten Knopf drücken, bevor "alles so schön bunt hier" wurde.
Als am 1. November 2008 das erste Fernsehen für Schwule eingeführt wurde, hörte die Werbeschleife einfach auf und die erste Serie startete. Alles ganz unspektakulär. Kein Klaus Wowereit oder Dirk Bach, der auf einen Buzzer drückt, kein Tuntenballett, kein Schwulenchor, TIMM war einfach da. Und gefeiert wurde erst abends – ohne Liveübertragung - in einem Möbelhaus. Zugegeben, in einem ganz schicken mit Designer-Schrankwänden, die auch bei TIMM beworben werden. Damit wurde zumindest schon mal demonstriert, was bei den Stadtmagazinen und anderen Medien für Schwule systemimmanent zu sein scheint: Man kuschelt gern mit den potentiellen Werbekunden.
"Wir sind bescheiden", gab TIMM-Geschäftsführer Frank Lukas letzte Woche gegenüber Spiegel Online zu. Und meinte damit, dass man sich keine großen Stars leisten könne. Die braucht es auch nicht. Eingekauft wurden stattdessen internationale Serien, Dokumentationen und Spielfilme, die über die Woche verteilt mehrmals wiederholt werden. Zum Teil ist es abgehangene Ware, wie Barbara Schönebergers Talkshow "Blondes Gift" oder "Queer As Folk". Zum Teil sind es TV-Premieren wie die wunderbare Serie "Noah’s Arc", auf die das deutsche Homopublikum bislang vergeblich wartete. 48 Stunden nach dem Start lässt sich noch kein Urteil fällen, doch ein paar Punkte gäbe es nach zwei Tagen Berieselung durch TIMM schon zu bemerken:
- Es fällt auf, dass die meisten Sendungen Importware sind. Was vermutlich daran liegt, dass es hierzulande nur wenig zeigenswerte Dokus und Serien gibt. TIMM hat hier die Chance und hoffentlich auch die Ressourcen, gute Produktionen zu initiieren. Der britische Sender "Channel 4" hat vorgemacht, wie es funktionieren kann.
- Vielleicht können die Macher von TIMM den Synchronsprechern und -Studios im Lauf der Zeit mal beibringen, dass Schwule nicht von Natur aus affektiert reden müssen, und das es nicht zur Steigerung der Lustigkeit beiträgt, weder in Comedy-Serien wie "Noah’s Arc", noch in Dokushows wie "Out & About". Schließlich will TIMM nach eigenen Angaben die bislang übliche Bedienung von Klischees vermeiden.
- Wo wir gerade bei "Out & About" sind: In der ersten Folge des bereits fünf Jahre alten Magazins reisen ein paar schwule Journalisten nach Paris wo sie – oh lala – einen Penisplätzchenbäcker, einen Maler, der Männerakte pinselt und die Macher von Pink TV besuchen, um oberflächliche Fragen zu stellen und völliges Desinteresse an den porträtierten Menschen zu demonstrieren. Das ist ebenso ärgerlich wie die US-Castingshow "Manhunt", in denen dumme geklonte Jungmänner zu sehen sind, wie sie beinahe in ihre weißen Designerunterhosen machen, weil sie mit dem Fallschirm aus einem Flugzeug springen müssen. Es laufen eigentlich genug schlechte Reality-Formate auf anderen Sendern.
- Die Mischung der Serien mit vielen bösen Frauen und noch mehr hübschen Männern ist gelungen, es ist für jeden Geschmack etwas dabei. Auch die Dokus über "Homosexuelle von nebenan", wie den Bürgermeister, der sich vor seinen Wählern outet oder die alten britischen Schwulen auf der Suche nach Lust und Liebe, funktionieren gut. Und die Cineasten können sich ebenfalls nicht beschweren. Spielfilme, die man einmal bei Arte oder 3sat und danach nie wieder sehen konnte, gehören bei TIMM zum festen Bestandteil.
Insgesamt fühlt sich TIMM aber noch recht distanziert an. Das liegt an den fehlenden eigenen Gesichtern. Die kommen erst Mitte November. Mit dem News-Journal "TIMM today" oder auch dem Talkformat "Timmousine" wird der Sender wesentlich sein Profil prägen und für die wichtige Präsenz in der Community sorgen.
Wenn dies gelingt, wird man bei TIMM nicht nur den Slogan "Wir lieben Männer" unter das Senderlogo schreiben können. TIMM darf sich dann auch sicher sein, dass er von den Männern wiedergeliebt wird.
Links zum Thema:
» www.timm.de
Mehr zum Thema:
» Das komplette schwule TV-Programm hat queer.de














Kann vllt mal jemand sagen, wie ich des noch mal genau machen kann/soll. Die angegeben Hilfen, halfen nicht wirklich =( Ich wäre einer umkomplizierten Aufklärung sehr dankbar.