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- 05. November 2008 4 Min.
Um 5:00 Uhr deutscher Zeit verkündete CNN, dass Barack Obama neuer US-Präsident ist. Auch Schwule und Lesben setzen große Hoffnungen auf den Demokraten. Dagegen gab es bei vier Homo-Referenden vier Niederlagen - die schmerzhafteste in Kalifornien: Dort wurde (mit großer Wahrscheinlichkeit) die Homo-Ehe abgeschafft.
Von Dennis Klein
Als der Wahlabend auf hunderten TV-Kanälen in aller Welt kurz nach Mitternacht deutscher Zeit begann, gab es kaum Stimmen, die auf einen Sieg des Republikaners John McCain setzten. Der Abend begann wie vorhergesagt: Obama gewann die demokratischen Staaten und nahm seinem Kontrahenten noch ein paar umstrittene ab. Obwohl er in absoluten Stimmen lange Zeit nur einen hauchdünnen Vorsprung hatte, konnte er stets doppelt so viele Wahlmänner auf sich vereinen. Nach ein paar Stunden hatte CNN schließlich ein Einsehen: Nachdem in Kalifornien die Wahllokale geschlossen hatten, rief der Sender Obama zum Sieger aus.
Obama hat jetzt einen demokratischen Kongress im Rücken: Nach vorläufigen Ergebnissen kontrolliert seine Partei 56 Sitze im Senat, die Republikaner lediglich 40 Sitze - vier Sitze sind noch offen. Eine "Supermehrheit" von 60 Sitzen - wie von manchen gehofft - wird es aller Voraussicht nach nicht geben. Auch im Repräsentantenhaus bauen die Demokraten ihren Vorsprung aus: Sie stellen mindestens 251 Abgeordnete, die Republikaner nur 173. Hier sind noch elf Sitze offen.
Vier Fünftel der Schwulen und Lesben sollen sich laut einer Umfrage kurz vor der Wahl für Obama ausgesprochen haben (queer.de berichtete). Anders als der amtierende Präsident George W. Bush unterstützt Obama Homo-Rechte: So setzt er sich dafür ein, dass Homosexuelle Kinder adoptieren und offen im Militär dienen dürfen. Bush – ebenso wie Obamas Gegner McCain – lehnten das strikt ab. Allerdings hat der Senator aus Illinois auch Kritik von Schwulen und Lesben ertragen müssen – und nicht nur, weil er die Öffnung der Ehe ablehnt: Wegen seiner Nähe zu christlichen Fundamentalisten, die Schwule und Lesben "heilen" wollen, gab es im Vorwahlkampf Proteste gegen Obama (queer.de berichtete).
Totale Niederlage: Homo-Ehe weiter unbeliebt
In drei Bundesstaaten wurde zudem über die Homo-Ehe abgestimmt. Florida und Arizona haben in ihrer Regionalverfassung die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau definiert. Gesetze verhindern dort aber derzeit schon gleichgeschlechtliche Hochzeiten. Schmerzlicher ist das Referendum in Kalifornien: Hier dürfen Schwule und Lesben seit wenigen Monaten heiraten – dieses Recht haben ihnen die Wähler nun höchstwahrscheinlich wieder genommen.
Im "Golden State" haben 52 Prozent gegen gleiche Rechte gestimmt, die Befürworter der Homo-Ehe brachten es auf lediglich 48 Prozent. Bislang wurden 99 Prozent der Wahlkreise ausgezählt. Es ist praktisch ausgeschlossen, dass die restlichen Wahlkreise das Ergebnis noch drehen werden.
Nach Umfragen vor der Wahlkabine hat - wie von einigen Analysten befürchtet - die hohe Beteiligung von Schwarzen zur Ablehnung der Homo-Ehe beigetragen: Während Weiße und Asienstämmige zu je 53 Prozent für gleichgeschlechtliche Ehen stimmten, lehnten Latinos dieses knapp ab (49 Prozent), Schwarze aber äußerst deutlich (30 Prozent). Sie stellten dieses Jahr zehn Prozent der Wähler. Auch die Religion spielte eine entscheidene Rolle: Knapp zwei Drittel der Protestanten und Katholiken stimmten gegen die Ehe. Demgegenüber wollten neun von zehn nicht religiösen Kaliforniern gleiche Rechte in der Ehe-Frage. Leider machte diese Wählergruppe nur 16 Prozent aller Urnengänger aus.
Allein für dieses Referendum wurden über 80 Millionen Dollar ausgegeben - so viel, wie alle deutschen Parteien normalerweise für die Bundestagswahl aufbringen. Gerade die Homo-Gegner überschwemmten die Werbezeiten der privaten TV-Sender mit angsteinflößenden Spots, in denen insbesondere vor den Auswirkungen der Homo-Ehe auf Kinder gewarnt wird.
Bittere Niederlage auch in Florida: Dort votierten 62 Prozent der Wähler für ein Eheverbot – nötig sind 60 Prozent. Laut Wählerbefragungen nach Verlassen des Wahllokals hat die Ehe bei den "üblichen Verdächtigen" verloren, wie schon in 29 von 30 Referenden zu diesem Thema zuvor: Ältere, Schwarze, Protestanten und die Landbevölkerung stimmten mit großer Mehrheit gegen Homo-Rechte, während Gebildete, Reiche und Erstwähler für Gleichberechtigung votierten.
Ebenfalls lange Gesichter in Arizona: Dort haben die Wähler die Ungleichbehandlung von Homo-Paaren in ihre Regionalverfassung festschreiben lassen. 56 Prozent stimmten dafür, hier war eine absolute Mehrheit für eine Verfassungsänderung ausreichend. Vor zwei Jahren lehnten die Bürger die selbe Frage noch knapp ab - das war der bislang einzige Sieg für die Homo-Ehe in einem US-Referendum auf Ebene des Bundesstaates.
Niederlage auch im konservativen Südstaat Arkansas. Hier wurden die Bürger gefragt, ob sie die Adoption durch Homo-Paare verbieten lassen wollen: 57 Prozent stimmten dem zu. Allerdings lehnten hier die Weißen mit 58 Prozent das Vorhaben eher ab als Schwarze (55 Prozent). Besonders groß war hier der Unterschied zwischen Männern und Frauen: Während das "starke Geschlecht" mit 61 Prozent gegen gleiche Rechte stimmte, waren es beim "schwachen Geschlecht" "nur" 54 Prozent.
Eine Erfolgsmeldung zum Schluss: Der schwule Kongresskandidat Jared Polis hat es voraussichtlich geschafft. Er zieht neben dem alteingesessenen Barney Frank und der lesbischen Abgeordneten Tammy Baldwin als dritter offen Homosexueller ins Repräsentantenhaus ein. Er konnte ersten Ergebnissen zufolge mit 60 Prozent der Stimmen seinen Wahlkreis klar gewinnen. Mit Internet-Unternehmen wurde der 33-Jährige zum Multimillionär (queer.de berichtete) – und steckte einen Teil seines Reichtums in einem Mega-Wahlkampf, der ihn jetzt auf die nationale politische Bühne beförderte.
Letztes Aktualisierung: 23:00 Uhr









