Markus fühlt sich seit seinem Outing als HIV-Positiver freier und unbeschwerter. Er hat aber auch Erfahrungen mit Ausgrenzung und Stigmatisierung gemacht. O-Töne von einem Betroffenen.
Von Carsten Weidemann
In der neuen Dokumentation "Jung Positiv" berichten fünf junge HIV-positive Männer über ihr Leben und ihren Alltag mit HIV und was es heute bedeutet, mit der Infektion zu leben. Im Film, der jetzt komplett online auf dem neuen Portal www.ich-weiss-was-tu.de abrufbar ist, berichtet zum Beispiel Markus darüber, wie es ihm mit seiner HIV-Infektion ergeht. Wir dokumentieren hier Auszüge seines Berichtes:
"Der erste Moment, als ich es erfahren habe, war Scheiße. Und dann: Sterben werde ich noch nicht. Ich bin 27 Jahre alt und seit acht Jahren weiß ich, dass ich HIV-positiv bin.
Früher habe ich im Verkauf gearbeitet, im Restaurant. Im Moment arbeite ich nicht. Ansonsten plane ich verschiedene Events mit einem Freund zusammen und habe davor fünf Jahre Travestie gemacht. Da mich das aber irgendwie nicht mehr weitergebracht hat, deswegen habe ich damit aufgehört. Wenn man eine Maske hat oder sich schminkt, sich eine Perücke aufzieht, dann ist man ein anderer Mensch. Ich verstecke mich nicht mehr hinter der Kunst.
Ich war gerade 18 und bei einem normalen Hausarzt. Habe da aufgrund verschiedener gesundheitlicher Einschränkungen den HIV-Test gemacht. Als ich das Testergebnis bekam, war es ein Schlag ins Gesicht. Die erste Woche war ganz schwierig, da habe ich einfach nur im Bett gelegen und fast 24 Stunden geschlafen. Ich musste auch sofort mit der Medikation anfangen, die sehr heftig war: 24 Tabletten pro Tag.
Die Entscheidung, es offen zu sagen, dass ich HIV-positiv bin, kam relativ früh. Hätte ich es nicht gesagt, hätte ich immer darauf aufpassen müssen, was der andere weiß. Wenn ich Fieber habe, kann ich dem anderen sagen, was los ist? Wenn es mir heute schlecht geht, dann wissen die Leute, warum. Ich muss mich nicht mehr erklären. Es war gut, es offen zu machen, es hätte mich sonst irgendwann erdrückt.
Viele Freunde sind daraufhin abgesprungen, und hatten gedacht: Der lebt eh nicht mehr lang, mit dem kann man nichts mehr anfangen. Da kann ich nur schmunzeln und denken, auf deren Gräbern werde ich später noch tanzen. So schnell wird man mich dann doch nicht los.
Bei einem Bewerbungsgespräch war fast schon klar, dass ich die Stelle bekomme. Und durch eine dumme Frage kam halt raus, dass ich HIV-positiv bin. Ab diesem Moment änderte sich das ganze Gespräch. Man merkte, der andere ging ein Stück weit zurück von mir. Er meinte, er müsse das auch anderen Leuten im Betrieb mitteilen, und man müsse dann doch mal schauen, ob ich denselben Besteckkasten benutzen kann. Das trifft einen hart. Aber solche Leute machen mich stark.
Es gibt schon manche Leute, die mit dem Finger auf einen zeigen. Gerade in der Gayszene ist, obwohl man gerade da Toleranz erwartet, diese nicht gegeben. Mir wurden schon so Sachen gesagt wie: Du AIDS-Schwuchtel, du hast es wohl verdient. Aber da sind die bei mir und meinen Freuden an die Richtigen geraten. Die stehen sehr stark hinter mir. Positive Erlebnisse hatte ich in dem Sinne, dass Leute, denen man es erzählt mit einem ‚Na und‘ reagieren.
Die Partnersuche fällt dadurch, dass du positiv bist, automatisch schwerer. Du findest jemanden interessant, lernst den in der Disco kennen, gehst mit ihm Kaffee trinken. Dann ist halt die Frage, wie sagst du es ihm? Du sagst es, und dann ist alles verpufft. Wenn mir so etwas passiert, dann ist das auch für mich noch ein Schlag. Man rechnet zwar damit, aber wenn man es schwarz auf weiß hat, ist es nochmal hart. Denn dann steht schon wieder die Krankheit im Vordergrund und nicht der Mensch, der ich eigentlich bin.
Wo ich hin will? Ich würde schon gern mehr im Eventbereich arbeiten. Ich will keine Zeit mehr verschwenden mit irgendwelchen unwichtigen Sachen wie Schlange stehen im Supermarkt. Ich will das Leben anpacken, kreativ sein. Ja, das will ich machen."
Jungs und Mädels!!!!! Haltet durch und Kopf hoch!!!
Es gibt mehr Menschen, die zum Glück recht offen und akzeptanz nicht nur schreiben können.