Tätowierungen auf dem Penis sind nur etwas für Hartgesottene: Damit die Haut gespannt bleibt, muss man trotz der Nadelstiche die ganze Zeit einen Ständer haben.
Von Dennis Klein
Wo gepierct wird, darf kein Tattoo fehlen – der zweite Schmuck, dem Schwule seit vielen Jahren ein Stück ihrer unversehrten Haut opfern. Die Zeiten, in denen raubeinige Seemänner sich Meerjungfrauen auf die Brust, Anker auf die linke Schulter und rote Rosen auf die rechte stechen lassen, sind längst passé. Blitze, Herzen, Sterne, Zigarettenbanderolen, Ringe und Spiralen sind auf dem Vormarsch. Das negative Image ist weg, zumindest fast. Die meisten Tätowierungen – und vor allem auch die am Penis oder in der Intimgegend – sind im Alltag normalerweise nicht sichtbar und werden von der Kleidung verdeckt.
Es ist allerdings nicht leicht, einen Schwanz zu tätowieren. Die Creme, die Tätowierer normalerweise benutzen, um überschüssige Farbe wegzuwischen, macht dein bestes Stück so glitschig wie ein Stück Seife in der Dusche. Außerdem solltest du einen Ständer haben, damit die Haut gespannt ist. Da aber, sobald eine Nadel in die Nähe deines Schwanzes, kommt, eine Erektion in der Regel nachlässt, ist das keine leichte Angelegenheit. Ist der Schwanz schlaff, muss man dafür Sorge tragen, dass man die Haut selber spannt, damit die Tätowierung im erigierten Zustand aussieht wie erwünscht.
Insgesamt ist ein Schwanz-Tattoo wohl eher etwas für Hartgesottene, die eventuell auch dem Masochismus nicht abgeneigt sind: Das elektrische Gerät, welches zum Tätowieren benutzt wird, sticht bis zu 1,5 Millimeter in die Haut ein. Für die Umrisse der Zeichnung sind es drei, für die Farbflächen rund 40 Nadeln. Der Piercer muss ein sehr guter Zeichner sein und ein ausgeprägtes optisches Vorstellungsvermögen haben, damit hinterher die Proportionen der Tätowierung stimmen. Ausrutscher und Schreibfehler bei Namenszügen sind nicht nur peinlich, sondern auch irreparabel.
Auch hier gilt wie beim Piercen, dass man selbst die Finger von Tattoo-Geräten lassen sollte. Wer zu verzagt ist und sich kein dauerhaftes Tattoo zutraut, der kann auch auf so genannte "temporäre Tattoos" zurückgreifen. Wie ein Abziehbild wird die Zeichnung mit einer Alkoholmischung auf die Haut gedrückt und per Hand nachkoloriert. Der "Aufdruck" hält etwa drei Tage, sogar unter der Dusche.
Die bekannteste schwule Persönlichkeit in Sachen Tätowierungen war ein wandelndes Tattoo-Studio. Albrecht Becker (1906-2002), Fotograf und Filmarchitekt ("Der Hauptmann von Köpenick", "Des Teufels General"), begann bereits im Zweiten Weltkrieg, sich selbst zu tätowieren. Über die Jahrzehnte schloss er auch seinen Schwanz mit ein. Bereits in den sechziger Jahren war fast sein ganzer Körper mit Tattoos versehen – außer Kopf, Hals und Unterarme. Im Anzug konnte er also folgerichtig sein Ganzkörperkunstwerk verstecken. Dieses hielt Becker für die Nachwelt in zahllosen Fotos fest. Nach seinem Tode gingen die Bilder an das Schwule Museum in Berlin.