Am 2. Januar 1984 startete der Privatsender RTL sein Programm. Erika Berger klärte auf, Hella von Sinnen schrillte herum, und auf dem heißen Stuhl explodierten die Gemüter. Ein Rückblick aus schwul-lesbischer Sicht.
Von Christian Scheuß
SAT1 war nur einen Tag flotter. Noch unter dem Namen PKS startete die Privatfernsehära bereits am Neujahrstag 1984. In Luxemburg musste man erst noch seinen Kater auskurieren, bevor "RTL Plus" am 2. Januar um 17:27 Uhr den Betrieb aufnahm.
Wo Scheinwerfer und Bühnenbretter, beziehungsweise Studiokulissen stehen, da sind traditionell Schwule und Lesben nicht fern. So auch bei RTL. Einige Stars und Sternchen taten ihre ersten Schritte im Privatfernsehen, damals wie heute.
Zum Beispiel Hella von Sinnen. Bekannt wurde sie 1988 durch die erste Tortenwurfsendung des deutschen Fernsehens "Alles nichts oder?!", die sie zusammen mit Hugo Egon Balder moderierte. Dabei stach sie bei jeder Aufzeichnung mit einem neuen und extravaganten Kostüm der (schwulen) Wuppertaler Designerschmiede Raloth hervor, was ebenso zu ihrem damaligen Markenzeichen wurde wie ihre pausenfüllende Lautmalerei "Tschacka-Tschacka".
Die Schwulenbewegung der achtziger Jahre führte ihren Emanzipationskampf, der in den Siebzigern begonnen hatte, im Fernsehen weiter. Und Erika Berger, die erste Sexaufklärungstante im TV trug in der Sendung "Eine Chance für die Liebe" ihren Teil dazu bei. Zuschauer, die live in der Sendung anriefen, gestanden ihr auch immer wieder homosexuelle Gefühle, die sie nicht mehr länger unterdrücken könnten. Und Erika forderte sie auf, dazu zu stehen.
Der Skandal um die barbusigen Damen in der Sendung "Tutti Frutti" war gerade ausgestanden, da knallte es wieder ordentlich bei RTL. Rosa von Praunheim outete am 10. Dezember 1991 unter anderem den Moderator Alfred Biolek, den Komiker Hape Kerkeling und fälschlicherweise den Schauspieler Götz George in der Krawallsendung "Explosiv – Der heiße Stuhl". Eine bundesweite Outing-Debatte ging daraufhin los, Praunheim bedauerte diesen Schritt erst viel später. Und nachträglich betrachtet hat das Outing weder Kerkeling noch Biolek geschadet. Auch in der Explosiv-Sendung zum Sexualstrafrechts-Paragraphen 175, der schwule Männer noch bis 1995 diskriminierte, prallten Community und konservative Weltbilder aufeinander.
Dirk Bach bekam 1992 seine eigene Show auf RTL, in den diversen Daily Soaps küssen sich Lesben, werden Heteros schwul oder Schwule hetero. Ilona Christen und Bärbel Schäfer plauderten in ihren Talksendungen ständig mit und über Homosexuelle. Auch das schwule Fernsehen tat seine ersten Schritte. Frank Lukas, heute Chef des schwulen Senders TIMM probierte mit seinem Magazin "Anders Trend" die schwule Zielgruppe zu erreichen. Und gäbe es nicht die Castingshows bei RTL, wir hätten "Superstars" wie Daniel Küblböck, Lory Glory, Mark Medlock und Fahdy Maalouf verpasst. Außerdem wäre Entertainer Ross Antony kein Dschungelkönig in "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!" geworden, was ihm einen Karriereschub und die Moderation vieler weiterer Sendungen einbrachte.
RTL schaut im Januar 2009 auf 25 Jahre mit zahlreichen Programmhighlights zurück – unter anderem in zwei großen Jubiläumsshows am 10. und am 17. Januar, jeweils um 20.15 Uhr
Nehmts mir nicht übel, wir hatten das hier auch schon zig mal, dennoch: auf Leute wie Mark Medlock, Ross Anthony und Lory Glory, die ihre sexuelle Orientierung vermarkten, kann ich immer noch gern verzichten
Wem etwas an Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen bzw. am Kampf gegen Pseudo-Toleranz und Diskriminierung liegt, wird heutzutage vermutlich eher öffentlich- rechtlich schauen...