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- 12. Februar 2009 3 Min.
Die CSD-Charta des Kölner Lesben- und Schwulentags ist mehr als eine spießige "Rasen betreten verboten"- Hausordnung. Ohne jede Notwendigkeit und ohne erkennbaren öffentlichen Druck tragen ausgerechnet die Gay-Pride-Organisatoren zur beklagten Entsolidarisierung der Community bei.
Von Christian Scheuß
Es ist anzunehmen, dass der Vorstand des Kölner Lesben- und Schwulentags (KLuST) in Kürze einen ersten Rückzieher machen wird. Das mit dem "an der Pranger stellen" sei nicht so gemeint gewesen, und das mit dem Veröffentlichen von Fotos und Namen von Menschen, die gegen die neue CSD-Charta verstoße, habe man so nicht gesagt und werde man auch niemals umsetzen. Man wird klagen, dass man absichtlich falsch verstanden worden sei und dass man doch mit der Charta nur das Beste für alle wolle.
Da ist KLuST-Vorstand Markus Danuser ganz offensichtlich eine Allmachtsphantasie aus dem Munde geglitten, die er besser für sich behalten hätte – und von der er als Jurist auch weiß, dass sie weder rechtlich haltbar noch ethisch irgendwie gerechtfertigt wäre. Ein solcher Pranger im Internet wäre – konsequent zu Ende gedacht – am Ende des CSD-Wochenendes eine üppig gefüllte Bildergalerie mit diversen Kategorien: Wildpinkler, Gehsteigkotzer, Drogen-Verstrahlte, Wabbelpo-Zeiger in Chaps, Öffentlich-Popper, zu kommerziell dekorierende CSD-Wagenausstatter. Und nicht zuletzt die Tausende von Betrunkenen, die durch ihr Verhalten den öffentlichen Verkehr gefährden. Der Klust sollte in diesem Jahr statt Solidaritätsbändern kleine Digicams verkaufen, damit jeder von uns den kleinen Blockwart spielen und den Pranger mit Verstoß-Schnappschüssen füllen kann.
Eine CSD-Charta, das klingt nach hochtrabenden Worten, nach einer Selbstverpflichtung im positiven Sinne. Und so sind auch viele Chartas verfasst, wie die der Grundrechte der Europäischen Union, oder der Vereinten Nationen. Das Gute, das angestrebt wird, wird bekräftigt und betont. Liest man die CSD-Charta des Kölner Lesben- und Schwulentages, spürt und riecht man schon im ersten Absatz, mit welchem Angstschweiß diese Sätze verfasst wurden. Es ist von Verboten und Geboten die Rede, von der Furcht vor den "maßlosen Provokateuren", die durch ihr Auftreten die CSD-Parade in "Gefahr" bringen. Ja, die sogar die Community "spalten" und "entsolidarisieren". Hier wurde keine hehre Charta verfasst. Hier handelt es sich um eine spießige "Rasen betreten verboten"-Hausordnung.
Das Absurde an dieser Charta ist: Es gibt keinen erkennbaren öffentlichen Druck, der einen solch vorauseilenden Gehorsam an Anpassung hätte erzeugen können – gerade im toleranten Köln, wo jährlich im Karneval deutlich mehr über die Stränge geschlagen wird. Weder hat die katholische Kirche eine Kampagne gegen Nackte auf dem CSD gestartet, noch die Stadt Köln mit Konsequenzen gedroht, sollten die SM-Leute wieder ihre Peitschen schwingen. Die Charta ist ein Beleg für die Zerrissenheit innerhalb der eigenen Struktur. Die Teilnahme von Bareback-Filmproduktionen und Bordell-Betreibern an der Parade vor zwei Jahren hat beinahe den Verein gesprengt. Die Charta ist ein Versuch der inneren Befriedung, indem die "Feinde" von außen benannt, bekämpft und – wenn nötig – an den Pranger gestellt werden.
Die vom KLuST befürchtete Entsolidarisierung der Community, sie hat mit der Veröffentlichung dieser Charta bereits begonnen. Deshalb haben wir den Kölner CSD-Organisatoren die Homo-Gurke verliehen.
Links zum Thema:
» Die CSD-Charta zum Download
Mehr zum Thema:
» Benimmregeln beim Kölner CSD (11.02.09)
» Frühere Homo-Gurken, verliehen von queer.de.















LG,
René