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Das misslungene "Experiment" des ZDF
Das ZDF will mit dem neuen Youtube-Kanal "unbubble" angeblich die Spaltung der Gesellschaft überwinden - und lässt ausgerechnet einen Fundi-Christen auf einen "Prince Charming"-Teilnehmer los.
- 11. Juni 2022,
Schwule und Lesben kommen irgendwann in die Hölle, davon ist Andy Nothnagel fest überzeugt. Der Jugendpastor bei einer Freikirche hält Homosexualität für eine schwere "Sünde". Im "unbubble"-Format "Sag's mir" trifft der Fundichrist auf Robin Solf, der sich mit 16 Jahren als schwul outete.
Für sein Modemanagement-Studium zog es Solf nach der Schule nach Berlin. Mode war für ihn schon immer ein Mittel, um sich auszudrücken, aufzufallen und Statements zu setzen. Robin moderiert zwei Podcasts, war Teilnehmer in der Datingshow "Prince Charming" und möchte seine Öffentlichkeit nutzen, um die queere Community sichtbarer machen.
"Bei 'Sag's mir' wagen wir das Experiment: Können sich zwei Fremde mit so unterschiedlichen Einstellungen wirklich näherkommen?", erklärte das ZDF zu dem 15-minütigen Video. In dem im Mai gestarteten neuen Format müssen die Teilnehmenden die gleichen neutralen Overalls tragen und sich zunächst gegenseitig eine Reihe vorgegebener, sehr persönlicher Fragen stellen. Darüber werde "in kurzer Zeit zwischenmenschliche Nähe aufgebaut", so das ZDF zum Konzept.
Ob die Redaktion allen Ernstes erwartet hat, dass sich Nothnagels mittelalterliches Weltbild in Luft auflöst und sich der Fundichrist und der schwule Podcaster in die Arme fallen? Der wenig überraschende Ausgang des "Experiments" sei hier vorab verraten: Auf die Frage, ob sich die beiden Männer wiedersehen wollen, lehnt Robin Solf ab. Er wolle seine Community nicht im Stich lassen. Er stellt klar: "Homophobie ist für mich keine Meinung."
Schade, dass sich das beim ZDF noch nicht herumgesprochen hat. Wer einer extremistischen Minderheit eine Bühne bietet und ernsthaft über "Sünde" und die Daseinsberechtigung queerer Menschen diskutieren lässt, trägt ganz gewiss nicht zur Versöhnung der Gesellschaft bei. Zumal bereits 2017 die WDR-Jugendwelle 1Live mit dem Video "Lesbe trifft Homo-Ehe-Gegnerin" ein ähnliches "Experiment" wagte und dafür scharf kritisiert worden war (queer.de berichtete). (mize/pm)