
https://queer.de/v?1254
Amaëls Traum vom queeren Berlin
Amaël ist Schwarz, schwul und schminkt sich gerne. Eine neue Kurzdoku porträtiert den 20-Jährigen, der sich in seiner Heimatstadt Aachen nicht frei entfalten kann.
- 21. Juli 2022,
In seiner Jugend hatte es Amaël nicht leicht. Obwohl er immer wusste, dass er Jungs mag und anders ist als andere, konnte er nie richtig zu sich stehen. In seiner Schulzeit wird er gemobbt und diskriminiert. Seine Überlebensstrategie: So zu tun, als ob er hetero sei. Nach außen hin versucht er männlich und stark zu wirken, doch er zieht sich immer mehr zurück.
Er verbringt viel Zeit in seinem Zimmer und im Internet. Da darf er er selbst sein und sich mit den Dingen beschäftigen, für die er sich heimlich interessiert: Beauty, Mode und Musik. Eine Reise nach Berlin öffnet ihm schließlich die Augen. Er traut sich erstmals tagsüber mit Make-Up auf die Straße. Die Reaktionen sind für ihn überwältigend. Statt Anfeindungen erhält er Komplimente und wird für seinen Look gefeiert.
Beflügelt steht für ihn fest: Er will hierher, nach Berlin. Amaël steht am Anfang einer Reise zu sich selbst. Sein Traum ist es, nach Berlin zu ziehen. Dort macht er seine ersten Schritte in der black queeren Ballroom Community.
Die knapp 15-minütige Doku "Queer und geschminkt: Amaël (20) auf dem Weg in sein neues Leben" wurde am Dienstag von funk veröffentlicht. Das Online-Content-Netzwerk der ARD und des ZDF richtet sich insbesondere an Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 29 Jahren. (cw/pm)
(sorry, ich kann das Trema über dem e nicht tippen)
Vielleicht liest Du das ja hier.
1.
Du bist ein echtes Vorbild. Danke für Deine Offenheit und für das Teilen Deiner Geschichte.
2.
Gut, dass Du Dich entschieden hast, Du selbst zu sein und nicht irgendein Lügen-Leben zu leben, wie es manche andere tun und wie Du es in Deiner früheren Verzweiflung auch mal überlegt hast.
3.
Als Aachener, der sich zwar auch in seiner Heimatstadt wohlfühlt, aber auch oft in Städten wie Köln (ist ja ein Katzensprung von Aachen), Hamburg, Berlin, London, Amsterdam ist (teilweise beruflich, teilweise privat), kann ich Dich verstehen. Jedesmal wenn ich aus diesen Städten nach Aachen zurückkomme, kommt mir Aachen viel kleiner und enger vor, als es tatsächlich ist. Aber vergiss auch nicht, was Jan in dem Film gesagt hat, dass es Homohass überall gibt und auch in Berlin gibt es ja regelmäßig Gewalt. Pass also bitte auf Dich auf.
Früher gab es in Aachen auch mal mehrere LGBTI-Kneipen und das "Homoreferat" der Hochschule organisierte jedes Semester (im Sommersemester meistens gegen Semesterende und im Wintersemester im Dezember in der Adventszeit) im damaligen Theatersaal der Mensa ein "Schwules Fest", zu dem aber auch Lesben, Trans, Bisexuelle, etc. willkommen waren. Punkt Mitternacht lief immer von Johann Strauß der Walzer "An der blauen Donau", wo viele schwule und lesbische Paare dann Walzer tanzten. Das war Tradition. Aber obwohl es noch das Queer-Referat gibt, machen die leider schon sehr lange keine großen Semesterfeste mehr. Und auch die 3-4 entsprechenden Kneipen in Aachen gibt es leider alle schon lange nicht mehr. Teilweise sind die kaputt gegangen, weil Köln so nah ist und viele dann mit dem Zug in gut 50 Minuten nach Köln fahren. Und teilweise natürlich auch durch das Internet, wo man leicht andere LGBTI findet und nicht mehr darauf angewiesen ist, auch mal in eine schwule Kneipe zu gehen, um andere Schwule kennenzulernen.
Aber damals in den 1990ern war das halt noch so. Und ja, es war eine tolle Zeit. Ich finde nach wie vor das persönliche Aufeinandertreffen irgendwo, der erste Blickkontakt, die Aufregung beim ersten Ansprechen, etc. so schön. Das kann kein Internetdate ersetzen. Das hilft Dir jetzt nicht, aber ist vielleicht dennoch interessant für Dich zu wissen, dass es auch in Aachen mal eine lebhafte und aktive LGBTI-Szene gab, auch wenn Du da noch klein oder noch nicht geboren warst...
4.
Wenn es Dein Wunsch ist, in Berlin zu leben, wirst Du das auch irgendwann schaffen. Du bist jung und motiviert und irgendeinen Weg wirst Du finden, egal wie lang es dauert und wie schwer das wird.
Und bis dahin ist ja vielleicht das nahe Köln schon ein Ersatz.
5.
Auch ich bin in der Schule zwei Jahre massiv gemobbt worden. Ich hatte leider keine so gute Freundin wie Du Estefania. Eine liebevolle Familie kann vieles auffangen, aber nicht alles. Und oft ist schon ein einziger Freund oder eine einzige Freundin, der/die zu einem steht und mit dem/der man offen quatschen kann und immer ein offenes Ohr findet, eine gute Hilfe um nicht zu verzweifeln. Deswegen auch Danke an Deine sympathische Freundin Estefania (die mir vom Sehen sogar bekannt vorkommt).
Ich kenne auch Geburtstage, die man nur mit der Familie, ohne Freunde verbracht hat. Oder dumme Bemerkungen in der Schule. Gemeine Streiche, etc. Und alles davon hat weh getan. Das kennen leider viele von uns.
Aber ich kann Dir auch eines sagen:
Die meisten der Mobber aus meiner Schulzeit, sehen das heute anders. Ich habe mal zufällig einen ehemaligen Schulfreund getroffen, den ich seit damals nie mehr gesehen hatte. Ich merkte, wie er rumdruckste und auf einmal kam er auf mich zu und sagte "Sorry für alles, was ich damals getan und gesagt habe. Das tut mir sehr leid, das bereue ich sehr oft." Ich habe ihm dann auch verziehen, weil ich merkte, dass seine Entschuldigung ehrlich war und von Herzen kam. Und weil mir klar war, dass man als Jugendlicher eben oft auch durchgeknallt ist und manches auch tut, weil man selber Angst hat, nicht dazu zu gehören.
Diese Erkenntnis, dass die Mobber von damals mich heute nicht mehr hassen (zumindest die meisten von denen) und ihr eigenes Verhalten heute bereuen hat mir sehr geholfen, die Narben meiner Jugend zu verarbeiten.
Noch schöner wäre es natürlich, wenn solche Traumata erst gar nicht entstehen und wenn gerade Schulen ein angstfreier Raum wären, denn gerade die Jugend ist für die eigene Entwicklung so wichtig. Daran müssen wir weiter arbeiten und dafür hast Du mit Deinem Video schon sehr viel getan. Auch dafür nochmal Danke.
Vielleicht hilft Dir das ja auch, dass die Mobber von damals vielleicht dazu lernen und Dich nicht wirklich hassen. Aber auch wenn nicht, ist das egal, denn Du brauchst sie nicht. Du wirst noch so viele tolle Menschen kennenlernen, die Dich lieben, weil Du Du bist. Und vielleicht werden irgendwann die Mobber sogar neidisch auf Dich und Dein Leben blicken.
6.
Lass Dir von mir "altem Knacker" mit seinen mittlerweile fast 50 Jahren einen Ratschlag fürs Leben geben:
Lebe immer DEIN Leben. Nicht das, was andere von Dir erwarten, sich wünschen, o.ä. Sondern lebe immer so, wie DU es für richtig findest. Es mag sein, dass nicht immer alles so funktioniert, wie Du es planst oder wünschst oder vielleicht auch mal länger dauert als gedacht. Aber lass Dich davon nie entmutigen und verliere niemals Deine Ziele und Träume aus den Augen. Und selbst wenn sich etwas mal als Fehler herausstellen sollte, so war es zumindest DEIN Fehler und Du hast es zumindest probiert. Das ist besser als sich sein Leben lang zu fragen, wie es wohl gelaufen wäre, wenn man an dieser oder jener Stelle seinem Herzen gefolgt wäre.
Nichts ist schlimmer, als die eigenen Entscheidungen, die man später bereut. Ich bereue bis heute, damals meinem Traummann nicht offen meine Gefühle gestanden zu haben. Wer weiß, was daraus hätte werden können, wenn ich nicht zu feige gewesen wäre. Und genauso bereue ich, keinen Kontakt mehr zu meinem besten Kumpel aus dieser Zeit zu haben. Deshalb mach immer das, was Du für richtig hältst und passe auf Dich auf.
Ansonsten kann ich mich nur Deiner sympathischen Freundin Estefania anschließen (kannst sehr froh sein, so jemanden zu haben):
GENIESSE DEIN LEBEN !!!