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Taiwans queerer Blockbuster im Heimkino
Ein Spielfilm über eine junge schwule Liebe ist Taiwans erfolgreichster Kinostart in diesem Jahr - jetzt läuft das berührende Drama "Your Name Engraved Herein" auf Netflix.
- 26. Dezember 2020,
Der autobiografisch inspirierte Film von Regisseur Patrick Liu spielte im September in der so gut wie coronafreien Republik China innerhalb von nur einer Woche umgerechnet rund 900.000 Euro ein. "Your Name Engraved Herein" ist damit der erfolgreichste queere Film Taiwans.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Beziehung zwischen den beiden Schülern Jia-Han (Edward Chen) und Birdy (Jing-Hua Tseng), die sich 1987 an einer katholischen Oberschule kennenlernen. In dem homofeindlichen Umfeld trauen sie sich nicht, ihre Liebe offen zu zeigen.
"Es war nicht meine Absicht, einen schwulen Film zu machen – es sollte einfach ein persönlicher werden", erklärte Lui gegenüber dem amerikanischen "Time"-Magazin. Er wolle mit "Your Name Engraved Herein" aufrütteln und Gespräche über queere Themen in Asien ermöglichen. "Ich hoffe, dass die Zuschauer die tiefen Gefühle und Enttäuschungen in der LGBTI-Community nachvollziehen können."
Taiwan nimmt heute bei LGBTI-Rechten den Spitzenplatz in Asien ein. Als erstes asiatisches Land öffnete der Inselstaat im Mai 2019 die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare (queer.de berichtete). Auch der Taipei Pride ist der mit Abstand größte CSD des Kontinents (queer.de berichtete).
"Your Name Engraved Herein" läuft seit dem 23. Dezember 2020 in der Originalfassung u.a. mit englischen oder deutschen Untertiteln auf Netflix. (cw)
Ich habe mir nicht nur beim Schauen des Films die Augen aus dem Kopf geweint, sondern ging drei Tage lang mit Gedanken an den Film ins Bett, musste weinen und wachte mit Gedanken an ihn auch wieder auf. Weil es mich so sehr mitgenommen hat und ich das Ende nicht wirklich verstand, schaute ich mir die letzten 35 Minuten (ab der Konfrontation zwischen A-han/Jia-han und Birdy/Po Te vor Jia-hans Eltern) jeden Tag erneut an.
Besonders den qualvollen Anruf Jia-hans vom Münztelefon aus, dann die Szene in Montreal, als Jia-han bei diesem älteren Herrn ist (ich weiß trotzdem immer noch nicht, wer das ist und worüber sie genau reden, denn sie sprechen englisch, weshalb es keine Untertitel gibt, aber sie sprechen zu leise und zu undeutlich) und natürlich ab der Stelle, wo Birdy Jia-han anspricht.
Heute wurde mir beim Aufwachen noch im Bett klar, was die allerletzten Worte bedeuten und wer genau sie sagt. Die Endszene ist ein Tagtraum von Birdy, wie er es sich vorstellt, wenn sie jetzt wieder 30 Jahre jünger wären, daher das "Hey, Birdy" von Jia-han und Birdys Reaktion ist: "It's nothing".
Anfangs verstand ich Birdy überhaupt nicht. Er ist doch eigentlich der Mutige, der Rebell, der sogar dem kleinen Schwulen zu Hilfe eilte und in Taipei dem schwulen Demonstranten gegen die Polizei helfen wollte, er da aber von Jia-han zurückgehalten wurde. Dennoch hat er trotz der immensen Liebe von Jia-han, derer er sich absolut sicher sein konnte, nicht den Mut, ihre Liebe zu leben. Gut, mittlerweile verstehe ich es besser, denn ich bin auch ziemlich ängstlich und nur mutig, wenn ich weiß, dass die Gefahren gering sind, dass ich dann das Opfer werde. Dennoch kann ich nicht verstehen, dass er diesen Weg eingeschlagen und sich selbst so verleugnet hat. Ich bin da wie Jia-han, denn auch der war gegenüber Horn und dessen Gruppe mutig, als Jia-han zum Beginn des neuen Schuljahres den Arm um Birdy legte und mit ihm zu ihrer neuen Klasse ging. Jia-han war bei Horn und den anderen so beliebt und unverdächtig, dass er es sich leisten konnte, vor ihnen seine Sympathie für Birdy zu zeigen, was auch ein gewollter Seitenhieb gegen Horn und die anderen war und das auch sein sollte.
Was ich bei Jia-han gar nicht verstehe, ist die Tatsache, dass er bei der Gewalt von Horn und den anderen gegen den kleinen Schwulen keinen geeigneten Ausweg fand, um dem Kleinen keine massive Gewalt antun zu müssen. So wie er schließlich den Baseballschläger schwang und ansetzte, hätte er ihn wohl tot oder zum Invaliden geschlagen, wenn Birdy nicht eingegriffen hätte. An Jia-hans Stelle hätte ich damit argumentiert, dass es einfach barbarisch ist und Gewalt einfach nicht zu rechtfertigen ist, selbst dann nicht, wenn der Kleine tatsächlich geschaut hat. Ich hätte sie alle gefragt, was denn wäre, wenn das ihr Bruder oder Sohn wäre und ob sie wirklich solche absolut herzlose Barbaren sind. Damit hätte sich Jia-han noch lange nicht als schwul geoutet, sondern einfach nur als guter Mensch. Aber leider muss ich auch gestehen, dass gerade bei solchen Leuten barbarisch zu sein wohl als gute Eigenschaft gilt. Das ist heute ja leider oft immer noch so - besonders in der sich wieder immer weiter "machoisierenden" Gesellschaft, was leider praktisch weltweit so ist.