In einer Stadt voller Bären könnte er einen Typen oder gleich vier küssen, aber nur für einen würde er eine Pistolenkugel abfangen: So beginnt der Song "Smile", mit dem der offen schwule Künstler Big Daddy Karsten am Samstag in der dritten Runde des "Melodi Grand Prix", des norwegischen Eurovision-Vorentscheids, antrat.
Lächel doch einfach mal, ist die Botschaft an den Liebsten, denn der sei der schönste und man bleibe ewig zusammen. Dargeboten hat das Karsten Marcussen, wie der Rapper im echten Leben heißt, in einem gewagten pinken Onesie, mit (klischee-)schwulen Backgroundtänzern und viel Regenbogenoptik. Man kann mutmaßen, dass "Smile" mit Publikum in der Halle ein größerer Erfolg geworden wäre – letztlich schied der Bär am Samstag aus.
Rap habe zunächst sein Vater gehört, erzählte Marcussen in einem ausführlichen Interview mit ESC Insight. Als "gemobbtes dickes Kind" an der Schule habe ihn dann "Me Against the World" von 2Pac sehr berührt. Ein schwules Coming-out wagte er erst Jahre später und er machte prompt Schlagzeilen als Norwegens erster schwuler Rapper.
Zum Dicksein und der Bären-Community zeigt er in dem Interview ein reflektiertes Verhältnis: Einerseits trete er auch mal im Jockstrap auf und twerke und habe insgesamt ein positives Verhältnis zu seinem Körper. Andererseits störe es ihn, wenn ihm Leute nur wegen seines Dickseins Komplimente und ihn zum Fetisch machten. "So sehr ich ein Kompliment für mein Dicksein schätze, es tut gleichzeitig weh wie eine Krankheit", heißt es in seinem englischsprachigen Song "From Time".
Wenn Leute ihn ansprechen oder anschreiben würden, bitte er sie, ihn nicht wegen des Dickseins, sondern anderer Eigenschaften Komplimente zu machen ("Lass mich nicht fühlen als wäre ich eine große Tüte Fett"). Zugleich stehe er selbst auf eher kräftigere Typen und er wolle die Botschaft vertreten, dass nicht jeder nach Typen mit dem perfekten Sixpack Ausschau halte und dass es ok sei, nicht den vermeintlichen Idealen zu entsprechen.
Derzeit läuft die aktuelle ESC-Vorentscheids-Saison. Nach der Absage im letzten Jahr ist der diesjährige Eurovision Song Contest erneut für Mitte Mai in Rotterdam geplant und soll mit den gleichen 41 Teilnehmerländern definitiv stattfinden – die EBU und das niederländische Fernsehen haben dazu unterschiedliche Szenarien entwickelt. Je nach Stand der Corona-Krise könnte es etwa dazu kommen, dass die Künstler*innen durch einen im Heimatland aufgenommenen Bühnenauftritt zu sehen sein werden. Der NDR hat noch nicht bekannt gegeben, wen er für die deutsche Teilnahme ausgewählt hat. (cw)
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